/ Fachartikel, Corporate

DiGA-Erfolgsrezept: So wird die Entwicklung eine 5-Sterne-App

medizin&technik | Februar 2023

Seit 2019 können Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verschrieben werden, für deren Nutzung der Inverkehrbringer eine Kostenerstattung von den Gesundheitskassen erhält. Doch wer eine DiGA auf den Markt bringen möchte, der sollte sich im Vorfeld sehr intensiv mit den gesetzlichen Vorgaben auseinandersetzen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

  • Thomas Franke, Key Account Manager Life Science, infoteam Software AG
  • Patrick Kraus, Marketing Communications Manager, infoteam Software AG

Eine krosse Bauernente in weniger als 90 Sekunden? Kein Problem – zumindest für Spitzenkoch Steffen Henssler in seinem Format „Hensslers schnelle Nummer“. Fast 900.000-mal wurde das Video auf TikTok abgespielt und die Botschaft ist klar: Kochen kann so schnell und einfach sein, das bekommt jede oder jeder hin. Doch zwei Kleinigkeiten fallen den TikTok-Gourmets meist erst zu spät auf: Der Videoschnitt kaschiert zeitaufwendige Arbeitsschritte – bereits das Füllen der Bauernente dauert länger als das Video. Darüber hinaus fehlt es den meisten Hobbyköchen auch an professionellen Kochutensilien, ganz zu schweigen von der Arbeitstechnik und -routine eines Profikochs.

Ähnliche Erfahrungen haben in den vergangenen zwei Jahren auch viele Unternehmen gemacht, die eine sogenannte Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) entwickeln wollten. Das sind zugelassene Apps für Smartphones und Tablets oder reine Webanwendungen, die Ärztinnen und Ärzte seit 2019 verschreiben können und für deren Nutzung die Gesundheitskassen die Kosten übernehmen – also quasi ein verschreibungspflichtiges digitales Medikament. Die Anforderungen an die Entwicklung und Inverkehrbringung einer solchen DiGA klingen zunächst dank des sogenannten „Fast-Track-Verfahrens“ so überschaubar wie die krosse Bauernente in 90 Sekunden, weshalb besonders Start-ups und Investoren jüngst einige schmerzvolle Erfahrungen sammeln konnten. Doch auch etablierte Unternehmen, die grundsätzlich mit den Anforderungen an Medizinprodukte vertraut sind, schätzen den Aufwand für eine DiGA bisweilen zu gering ein. Das ist insofern schade, als eine gut geplante und umgesetzte DiGA enormes Gewinnpotenzial eröffnet.

Erst Planung, dann professionelle Entwicklung

Die Entwicklung und das Inverkehrbringen einer DiGA sind mit großem Aufwand und hohen Kosten verbunden. Zu einer DiGA gehört deshalb ein professioneller Businessplan, der die Zielgruppe, die Konkurrenzsituation, eine seriöse Schätzung der Entwicklungskosten (inkl. regulatorischer Anforderungen) und Betriebskosten (!) sowie der zu erwartenden Lizenzeinnahmen für die App beinhaltet.

Damit eine App-Anwendung zur DiGA wird, muss sie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ins „Verzeichnis erstattungsfähiger Apps“ aufnehmen. Hierfür prüft das BfArM entsprechende Anträge darauf, ob alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten sind. Dazu zählt beispielsweise, dass der Inverkehrbringer über ein Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) verfügt. Des Weiteren muss er eine medizinische Zweckbestimmung der Anwendung festlegen. Wer solche Anforderungen bereits vor der Entwicklung absichert, spart im Zweifel bare Münze. Etwas komplexer ist der Nachweis eines positiven Versorgungseffekts (pVE). Er gelingt mit einer kontrollierten klinischen Studie, die nachweist, dass die Anwendung der App besser ist als die Nichtanwendung. Der pVE-Nachweis kann retrospektiv erfolgen, aber auch prospektiv – also bevor etwaige Kosten in eine normenkonforme Softwareentwicklung geflossen sind.

Die normenkonforme Softwareentwicklung ist das Herzstück einer jeden DiGA und resultiert aus der Tatsache, dass eine DiGA ein zulassungspflichtiges Medizinprodukt der Klasse I oder IIa ist. Inverkehrbringer, Hersteller und auch Dienstleister für Softwareentwicklung müssen sich deshalb an die Vorgaben der EU-weiten Medical Device Regulation (MDR) halten. Das bedeutet zunächst, dass für eine DiGA unter anderem ebenso eine Risikoanalyse erfolgen muss wie beispielsweise auch für eine Herz-Lungen-Maschine – jedoch natürlich in angepasster Form. Gleiches gilt für die Post Market Surveillance, also das Überwachen der App-Sicherheit, nachdem die Anwendung bereits zugelassen und auf dem Markt erhältlich ist. Für die Softwareentwicklung fordert die MDR ein zertifiziertes Qualitätsmanagement (ISO 13485) inkl. Entwicklungsprozess und Dokumentation. Dienstleister, die auf die Entwicklung von Software als Medizinprodukt spezialisiert sind, verfügen sowohl über das regulatorische Fachwissen als auch über die notwendigen Zertifizierungen, Prozesse und ein Qualitätsmanagementsystem. Das bedeutet, dass die Softwareentwicklung für eine DiGA ein Auftrag für spezialisierte Profis ist. Sie berücksichtigen unter anderem auch bei der Entwicklung, dass persönliche Daten innerhalb der App sowie die App selbst vor Angriffen (Umsetzung des BSI TR-03161) geschützt werden müssen.

Für die Softwareentwicklung empfehlen spezialisierte Dienstleister vorab intensive Planungen hinsichtlich Funktionalität und Usability der App. Solche Planungen reduzieren teure Umplanungen in der Entwicklungs- sowie in der klinischen Prüfungs- und Zulassungsphase. Trotzdem sind Änderungen während der Entwicklung normal. Wichtig ist deshalb, dass die Entwicklungsteams hier bestmöglich und schnell auf neue Situationen und Vorgaben reagieren können. Agile Entwicklungsmethoden schaffen diese Flexibilität und bieten einen zusätzlichen Vorteil: So wie Köche während des Kochprozesses auch immer wieder abschmecken und direkt verfeinern, liefern agile Entwicklungsmethoden sehr schnell erste nutzbare Ergebnisse. Sie werden im weiteren Verlauf ausgebaut und dienen parallel als Basis, um Änderungswünsche frühzeitig zu identifizieren.

Erschienen in der "medizin&technik" - hier geht´s zum Online-Artikel.

Wer als Inverkehrbringer einer DiGA auftreten möchte, der muss einige Vorgaben erfüllen (beispielsweise über ein ISMS verfügen). Hierfür gibt es unterstützende Berater und Dienstleister. Viele weitere Arbeitsschritte für eine DiGA können zudem ebenfalls von spezialisierten Dienstleistern übernommen werden (z. B. pVE-Nachweis, Usability Engineering, normenkonforme Softwareentwicklung).