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Die Software-Autobahn für das Labor

Forschungsprojekt FlexACO: Flexible Automatisierung der COVID-19 Analytik

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie kennt sie die ganze Welt: PCR-Tests. Die wenigsten wissen jedoch, dass PCR schon lange vor Corona zum Einsatz kam: Genetischer Fingerabdruck, Vaterschaftstests und vieles mehr – ohne PCR undenkbar. Auch den Nachweis viraler Erkrankungen mittels PCR gab es schon lange vor Corona. Die Pandemie stellte jedoch weltweit Labore vor die Herausforderung, die enorme Anzahl täglicher Tests zu bewältigen. Besonders die Vor- und Nachbereitung des eigentlichen Testverfahrens erfordern fast überall händische Arbeitsschritte von Labormitarbeitenden. Ob und wie sich diese Arbeiten automatisieren lassen, daran forschte infoteam ein Jahr lang zusammen mit weiteren Partnern aus der Industrie und Medizin.

Termin vereinbaren, Abstrich vornehmen, 24-48 Stunden auf das Ergebnis warten. So kennen die meisten den PCR-Test seit Beginn der Corona-Pandemie. Doch was passiert mit der entnommenen Speichelprobe im Labor? Sobald die Reagenzien mit den Proben im PCR-Analysegerät stehen, funktioniert der Ablauf meist automatisiert. Der große Zeitfresser sind Vor- und Nacharbeiten, erklärt Dr. Anna Kusnezowa, Consultant Life Science bei infoteam: Die Proben müssen jederzeit eindeutig einer Testperson zuordbar sein und in eine Reagenzkassette mit vielen weiteren Proben gestellt werden. Diese Kassette benötigt das Analysegerät, um alle Proben automatisiert und parallel zur bearbeiten. „Bis zu dem Punkt ist alles Handarbeit. Und dieselbe Prozedur folgt nach der Analyse noch einmal – jetzt müssen die Reagenzien wieder aus dem Gerät sowie den Kassetten heraus und nach positiven und negativen Testergebnissen sortiert werden.“ Für das Laborpersonal sind solch monotone Arbeiten über Stunden hinweg fachlich wenig herausfordernd. Gleichzeitig ist jedoch größte Sorgfalt wichtig, damit es zu keinen Fehlern kommt.

Das Forschungsprojekt FlexACO hat es sich im Herbst 2020 deshalb zur Aufgabe gemacht herauszufinden, ob sich die Vor- und Nacharbeiten automatisieren lassen. Die Idee: ein Roboterarm übernimmt die monotonen Aufgaben, scannt den Barcode jeder Probe, befüllt die Reagenzkassetten, stellt diese in das PCR-Analysegerät und holt sie dort nach dem Analysevorgang wieder ab, um sie zu sortieren.

Middleware für Laborvernetzung

„Unsere Software ist, wenn man so will, das Gehirn des ganzen Forschungsprojekts“, fasst Simon Koch den infoteam-Anteil am Forschungsprojekt zusammen. Um Projektleiterin Anna zu unterstützen, übernahm er Anfang des Jahres 2021 die technische Koordination im Team. „Unsere Software weiß, welche Arbeitsschritte notwendig sind, welches Gerät was macht und gibt dem Roboterarm anhand dieser Informationen Anweisungen, was als nächstes zu tun ist“.

Die Grundlage für diese Middleware-Lösung ist das infoteam-eigene Middleware-Framework zenLAB®. „Ich vergleiche zenLAB gerne mit einer Autobahn“, so Simon. „Es bringt die fertige Straße und einen Satz Schilder mit, die wir je nach Anforderung flexibel aufstellen. Darauf aufbauend können wir kundenspezifisch die verschiedenen Autos entwickeln, die auf der Autobahn fahren.“ Beim Forschungsprojekt FlexACO dient zenLAB als Autobahn für zwei Autos. Auto Nummer eins ist das beschriebene Gehirn, das alle Abläufe kennt, koordiniert und anordnet. Hierfür ist Auto Nummer zwei wichtig. Seine Aufgabe ist es, Informationen vom Analysegerät zu bekommen – beispielsweise ob eine Reagenzkassette fertiggetestet ist und welcher Probe welches PCR-Testergebnis zuzuordnen ist. Was im ersten Moment einfach klingt, entpuppte sich auch für Simon als größere Herausforderung, denn „das Analysegeräte hatte keinerlei Ambitionen uns auch nur irgendeine Information zu verraten.“ Stattdessen schickt es seine Daten über eine herstellereigene Schnittstelle an eine spezielle Software des Geräteherstellers, die dem Laborpersonal die Testergebnisse anzeigt.

Mit viel Geduld gelang es dem Team, den kryptisch anmutenden Datenstrom zwischen dem Analysegerät und der Software mit zu lesen und zu entschlüsseln. Zwar ist diese Form des Datenzugriffs vom Gerätehersteller so nicht vorgesehen, „aber die Daten sind ja nicht geheim, sondern werden dem Laborpersonal über die Software des Geräteherstellers angezeigt. Wir nutzen lediglich unverändert die digitale Datengrundlage, damit der Roboter anstelle des Menschen damit arbeiten kann.“ So kann Auto Nummer zwei die notwendigen Informationen an Auto Nummer eins liefern und das Team konnte zeigen, dass sich Labore mit zenLAB auch dann vernetzen lassen, wenn autark arbeitende Laborgeräte und herstellereigene Schnittstellen dem Kommunikationsaustausch eigentlich entgegenstehen.

Weiterentwicklung auf allen Ebenen

Dieses Erfolgserlebnis hat Simon vor allem für das Team gefreut. „Wir sind mit einem jungen Team gestartet, das in dem einen Forschungsjahr sehr beeindruckende Wissensfortschritte im Bereich Softwareentwicklung und Laborautomation erzielt hat.“ Das lag auch an den erfahrenen Kolleginnen und Kollegen die mit ihrer Expertise in den Bereichen Softwarearchitektur, Software Engineering und Normenkonformität unterstützten. Auch Projektleiterin Anna ist mit dem Ergebnis zufrieden: „Wir konnten erneut zeigen, dass wir mit zenLAB nahezu jedes noch so komplexe Labor vernetzen und automatisieren können – ein tolles Training für uns mit vielen spannenden Erfahrungen, die letztlich unseren Kunden zugutekommen“.

 

Info:

FlexACO steht für „Flexible Automatisierung der COVID-19 Analytik“ und wurde für den Forschungszeitraum vom 1. September 2020 bis 31. August 2021 von der Bayerischen Forschungsstiftung gefördert. Forschungspartner waren das Universitätsklinikum Erlangen, der Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die Yaskawa Europe GmbH – und natürlich infoteam.

PCR steht für polymerase chain reaction, also Polymerase-Kettenreaktion. Die Methode dient der künstlichen Vervielfältigung von Erbsubstanzen (DNA) im Labor und benötigt mehrere Zyklen, um ausreichend DNA zu erzeugen. Bereits ein DNA-Doppelstrang genügt für das Verfahren, pro Zyklus verdoppelt sich die Zahl der DNA-Doppelstränge (exponentielles Wachstum). Wichtig: Bei PCR werden keine kompletten DNA-Doppelstränge vervielfältigt, sondern zuvor festgelegte Teilabschnitte.

zenLAB® ist das infoteam-eigene Software-Framework für Laborautomation. Es bietet eine vorgefertigte Softwarearchitektur und vorentwickelte Basiskomponenten. Auf dieser Basis lassen sich weitere kundenspezifische Module entwickeln und in zenLAB einbinden.

Weitere interessante Themen gibt es hier in unserem Mitarbeitermagazin (PDF).

Simon Koch, Softwareentwickler bei infoteam: „Ich vergleiche zenLAB gerne mit einer Autobahn.“