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LADS connect(s) IT

GIT Labor-Fachzeitschrift | Oktober 2022

Im Labor der Zukunft sind zwei neue Laborgeräte aufgetaucht: das Tablet und das Smartphone. Mit ihnen lassen sich Laborgeräte steuern, Daten auslesen sowie Prozesse starten und überwachen. Alles Zukunftsmusik? Von wegen! Die Lösung heißt LADS und könnte das werden, was OPC UA seit vielen Jahren weltweit für die fertigende Industrie ist: der unangefochtene branchenweite und offene Kommunikationsstandard. LADS ermöglicht es, Laborgeräte flexibel und quasi per Plug-and-play durchgängig mit modernen Softwaresystemen zu vernetzen. Auf der diesjährigen analytica in München konnten Messebesucher nun erstmals LADS-fähige Laborgeräte remote per Tablet und Smartphone über Messestände hinweg steuern und auslesen. Was LADS ist, welche Vorteile LADS mit sich bringt und wie die Nutzung in der Praxis funktioniert, darüber gibt dieser Artikel eine Übersicht.

  • Albrecht Liebscher, Key Account Manager Life Science, infoteam Software AG
  • Patrick Kraus, Marketing Communications Manager, infoteam Software AG
  • Kai Kress, Vorstand, 2mag AG
  • mit freundlicher Unterstützung von Spectaris

Ein bisschen verblüfft darf man schon sein, wenn das eigene Smartphone plötzlich vorschlägt, dass es den aktuell angesehenen Videoclip auch auf dem Fernseher im Wohnzimmer anzeigen könnte. Woher kennen die beiden sich? Ein ähnliches Phänomen liefert der zigfach abgesicherte Firmenlaptop, der im Homeoffice plötzlich den privaten Drucker für das Drucken von Unterlagen entdeckt. Nun kann natürlich jeder zum Thema digitale Vernetzung stehen, wie es ihr oder ihm beliebt. Aber ganz von der Hand weisen lässt es sich so oder so nicht, dass es schon ziemlich praktisch ist, wenn man die Heizung im Wohnzimmer von unterwegs auf- oder abdrehen kann. Oder wenn man ohne großes Zutun doch fix ein paar berufliche Unterlagen im Homeoffice drucken kann (selbstverständlich nur unter Wahrung des Datenschutzes und der Betriebsgeheimnisse).

Laborgeräte von zu Hause steuern

Dass das Steuern von Geräten auch im Labor nicht direkt vor Ort passieren muss, konnten Messebesucher auf der diesjährigen analytica in München live am Messestand der 2mag AG erleben. Wie von Geisterhand wechselten die dort ausgestellten Magnetrührer ihre Drehzahl. Die Befehle dazu erhielten die Rührer von anderen Messebesuchern, die am Messestand der infoteam Software AG via Tablet und Smartphone die eingestellten Parameter der Magnetrührer remote auslesen und verändern konnten. Aus technischer Sicht hätten die Befehle auch aus einer anderen Messehalle, einer anderen Stadt oder von zu Hause aus dem Homeoffice kommen können. Der Clou hinter dem Messe-Showcase: Die Vernetzung der Laborgeräte mit der Software basierte nicht auf irgendeiner individuellen Technologie, sondern auf dem neuen Kommunikationsstandard LADS (Laboratory Analytical Device Standard) sowie den 2mag-Magnetrührern und der zenLAB®-Middleware, die beide LADS unterstützen und das „LADS ready“-Label tragen. LADS entstammt der Arbeitsgruppe „Vernetzte Laborgeräte“, die innerhalb des Branchenverbandes Spectaris über 40 Marktführer und Hidden Champions der weltweiten Laborbranche vereint. Es basiert nicht auf einer kompletten Neuentwicklung, sondern auf der effizienten Nutzung und branchenspezifischen Erweiterung eines längst weltweit etablierten Standards.

Wettbewerbsvorteile durch Digitalisierung, Vernetzung und Automation

Digitalisierung, Vernetzung, Automation, intelligente Workflows, Remote-Zugriffe auf Daten und vieles mehr verspricht bereits seit Jahren der Begriff „Labor 4.0“, der synonym auch als „Labor der Zukunft“ bekannt ist – wobei dieser Begriff das Problem unfreiwillig gut beschreibt. Denn steigender Kosten- und Qualitätsdruck verlangen schon heute nach höherer Auslastung, größerer Flexibilität und effizienteren Arbeitsweisen. Das geht in vielen Bereichen einher mit steigenden regulatorischen Anforderungen. Eine Studie von McKinsey[1] aus dem Jahr 2019 zeigt auf, dass Qualitätslabore durch konsequente Vernetzung, Digitalisierung und Automatisierung bis zu 50 Prozent der Kosten und bis zu 70 Prozent der Lieferzeit einsparen könnten. Neben der erheblichen Verringerung des Dokumentations- und Prüfaufwands durch eine automatisierte Erfassung von Messergebnissen spielen weitere Faktoren eine wichtige Rolle: So führen die Eliminierung menschlicher Fehler sowie eine geringere Varianz bei der Durchführung von Analysen nicht nur zu einer höheren Qualität, sondern auch zu einer besseren Planbarkeit von Personal, Abläufen und Materialverbrauch. Zudem üben moderne Arbeitsformen (z. B. Remote-Arbeit aus dem Homeoffice) zunehmend Druck auf die Branche aus, um beim Fachpersonal weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. Doch das Labor der Zukunft scheint in der Zukunft verweilen zu wollen.

Einer der wesentlichen Gründe hierfür ist, dass sich die vielen unterschiedlichen Laborgeräte und Softwaresysteme gar nicht oder nur mit immensem und wiederkehrendem Aufwand miteinander vernetzen lassen. Das liegt in erster Linie daran, dass eine einheitliche Schnittstelle fehlt – also ein herstellerunabhängiger, offener Kommunikationsstandard, der den vielseitigen Bedürfnissen der Gerätehersteller, Laborbetreiber und Systemintegratoren gleichermaßen gerecht wird. Derzeit verfügen viele Laborgeräte über gar keine Schnittstelle und arbeiten autark und unvernetzt. Andere Laborgerätehersteller setzen auf proprietäre Schnittstellen, die wiederum nicht kompatibel zu anderen Schnittstellen sind.

Die Vorteile eines branchenweiten Kommunikationsstandards

Dabei liegen die Vorteile eines branchenweiten und offenen Kommunikationsstandards auf der Hand: Binnen kürzester Zeit würden Geräte und Softwaresysteme miteinander interagieren, weshalb Laborbetreiber bei der Auswahl von passender Soft- und Hardware den Fokus auf die benötigten Funktionalitäten legen und die jeweils bestgeeigneten Systeme unterschiedlicher Hersteller miteinander verbinden könnten. Dieses Vorgehen wird Best of Breed genannt. Damit einher geht auch die flexible Austauschbarkeit von Hard- und Software. In der Folge entsteht ein digitales Netz aus Hard- und Software, das miteinander agiert, Daten produziert, austauscht und nutzbar macht. Das ermöglicht die Automation und Vereinfachung von Laborprozessen, die datenbasierte Wissensgenerierung (beispielsweise die Vorhersage von Geräteausfällen anhand von Betriebsdaten) oder das dezentrale Steuern und Überwachen von Geräten, Versuchen und Prozessen. Labormitarbeitende könnten so von derzeit notwendigen Routinearbeiten entlastet werden und sich wieder auf ihre primären Aufgaben und Fachkenntnisse konzentrieren.

Was LADS zum zukünftigen branchenweiten Standard qualifiziert

Die Frage, wie sich heterogene Geräte- und Softwarelandschaften ohne gemeinsame Schnittstelle verknüpfen lassen, treibt nicht nur die Laborbranche um. Unternehmen der diskreten Fertigung und Prozessindustrie standen vor knapp 25 Jahren vor einer ähnlichen Herausforderung. In der Folge schlossen sich Mitte der 1990er-Jahre weltweit mehrere konkurrierende Marktgrößen der Automatisierungsindustrie zusammen und gründeten die „OPC Foundation“. Aus ihr hervorgegangen ist der offene und herstellerunabhängige Kommunikationsstandard OPC UA, der sich längst als vorherrschender Standard im Industrieumfeld etabliert hat. Die OPC Foundation, zu der mittlerweile weltweit mehr als 750 Unternehmen zählen, pflegt den Standard kontinuierlich und entwickelt ihn zentral weiter.

Die OPC Foundation motiviert auch die Ausgestaltung sogenannter „OPC UA Companion Specifications“. Hierbei handelt es sich um spezielle Informationsmodelle für bestimmte Branchen oder konkrete Maschinentypen. Das macht sich die SPECTARIS-Initiative zunutze und baut LADS als OPC UA Companion Specification auf. LADS verfügt somit von vornherein über eine Vielzahl von Eigenschaften, die für den Einsatz im Labor notwendig sind (siehe Abb. 2):

  • etablierter, wohldefinierter, sehr gut adaptierbarer, praxiserprobter sowie ausgereifter Industriestandard
  • Möglichkeit zur Anbindung an industrielle Infrastrukturen
  • plattformunabhängig (hardwareseitig traditionelle PC-Hardware, Cloud-basierte Server, SPS oder Mikrocontroller sowie softwareseitig Microsoft Windows, Apple OS, Android oder beliebige Linux-Distributionen)
  • Angriffssicherheit (Security by Design)
  • Abwärtskompatibilität (Integrationsmöglichkeit früherer, proprietärer Datenformate)
  • Integration zukünftiger, neuer Datenformate
  • Audit Trail
  • Datenarchivierung
  • Erfüllung regulatorischer Anforderungen (z. B. 21 CFR part 11 oder 40 CFR part 3)

Das LADS-Informationsmodell verfolgt einen agnostischen (generischen) Ansatz, um die gesamte Breite der Laborbranche abzudecken und so die Akzeptanz als branchenweiter Standard sicherzustellen. Gerätespezifische Eigenschaften können Hersteller über eigene OPC-UA-Dienste mit Zugriffsmöglichkeiten auf diese Features bereitstellen.

So kommt LADS auf die Hardware

Damit Laborgeräte LADS als Kommunikationsschnittstelle nutzen können, benötigen sie einen OPC-UA-Server, der direkt auf der Gerätesteuerung oder in einem angeschlossenen Connectivity-Device bereitgestellt wird. Hinzu kommt das LADS-Nodeset-File, das das spezifische LADS-Informationsmodell für das Laborgerät beschreibt. Diese Datei wird im OPC-UA-Server eingepflegt, anschließend lassen sich die LADS-Nodes mit den Gerätefunktionen verknüpfen.

So interagieren Softwaresysteme mit LADS

LADS-fähige Softwaresysteme müssen über einen OPC-UA-Client verfügen. Darüber können sie alle im Gesamtsystem verfügbaren LADS-Geräte anhand deren IP-Adresse erkennen und mit dem Softwaresystem verbinden. Die Software greift nun dynamisch und rekursiv auf das Nodeset zu, das auf dem Laborgerät hinterlegt ist, und liest alle dort vorhandenen Informationen aus. Das können einfache Herstellerinformationen ebenso wie laufende Betriebsdaten sein. Auch ist es möglich, in der Gegenrichtung Zugriff auf definierte Gerätefunktionalitäten zu erlangen. Das ist vergleichbar mit einem Drucker, der per USB am Computer angeschlossen ist: Die Informationen über den Gerätehersteller, den Gerätetyp sowie die Gerätefunktionen und verfügbare Betriebsdaten (z. B. Anzahl der gedruckten Seiten) sind nicht fest in der Software auf dem Computer hinterlegt und ständig verfügbar. Vielmehr ruft die Software auf dem Computer diese Daten erst dann vom Drucker ab, wenn er verfügbar ist und die Software diese Informationen benötigt. Da das Gerät der Software mitteilt, über welche Funktionen es verfügt, sind Gerätewechsel vergleichsweise einfach möglich. Um beim Beispiel Drucker zu bleiben: Während der alte Drucker nicht doppelseitig drucken konnte, unterstützt der neu angeschlossene Drucker diese Funktion und die Software auf dem PC bietet dem Nutzer diese Funktion ab sofort an. Bei Magnetrührern im Labor könnte das beispielsweise die maximale Rotationsgeschwindigkeit sein, die sich mit einem Gerätewechsel ändert. Der neue Wert muss nicht manuell in die PC-Software programmiert werden, sondern die Software erfährt ihn über den LADS-Zugriff vom gerade angeschlossenen Magnetrührer. Weitergedacht eröffnet dieses Vorgehen den gesamten Digitalisierungsprozess für die Laborbranche – vom digitalen Tracking von Einzelproben über den gesamten Analyseprozess bis hin zum Monitoring und der Dokumentation von prozessbegleitenden, qualitätssichernden Daten (z. B. Temperaturdaten, Rührstabüberwachung), vereint innerhalb von Laborsystemen mit vernetzten Laborgeräten.

Ab wann gibt es LADS

LADS ist derzeit im fortgeschrittenen Entstehungsprozess. Während sogenannter Hackathons haben die Unternehmen der Spectaris-Arbeitsgruppe das LADS-Informationsmodell erarbeitet, erste Programmierungen probiert und testen nun, wie sich LADS in der Praxis verhält. Firmen wie die 2mag AG rüsten hierfür ihre Magnetrührer mit OPC-UA-Server und LADS-Nodeset aus, Firmen wie die infoteam Software AG statten ihre Software-Frameworks mit OPC-UA-Clients aus – und erproben dann gemeinsam, ob und wie die Geräte innerhalb der Geräteverwaltung der Software auftauchen, sich Daten auslesen und Funktionen ansteuern lassen. Sobald die Verbindung steht, ist der Austausch zwischen Laborgeräten oder der Wechsel zwischen Anwenderprogrammen am PC und mobilen Endgeräten wie Tablets oder Smartphones flexibel möglich.

Laborgeräte und Softwarelösungen, die den aktuellen LADS-Anspruch erfüllen, können ab sofort das „LADS ready“-Label tragen. Alle 2mag-Magnetrührer mit OPC-UA-Schnittstelle sowie auch das Middleware-Framework zenLAB® der infoteam Software AG sind bereits LADS ready. In den kommenden Monaten werden weitere Geräte mit „LADS ready“-Label erwartet.

Für Ende des Jahres 2022 ist eine Referenzimplementierung geplant, über die Gerätehersteller und Softwareentwickler ihre Produkte später auch gemäß dem Standard zertifizieren und auf Konformität testen können. Diese Zertifizierung stellt sicher, dass alle vernetzten Komponenten die angestrebte Interoperabilität erreichen. Nach der Etablierung dieser qualitätssichernden Maßnahme wird LADS allen Protagonisten der Laborbranche weltweit zur Verfügung stehen, um gemeinsam den Schritt ins digitale Zeitalter vernetzter Labore zu gehen und die Zukunft endlich Realität werden zu lassen. 

 

Erschienen in der GIT Labor-Fachzeitschrift - hier geht´s zum Artikel.

 


[1] McKinsey & Company: „Digitalization, automation, and online testing: The future of pharma quality control“, 2019.


2mag-Magnetrührer mit „LADS ready“-Label auf der analytica 2022, der sowohl stationär als auch remote über ein Tablet mit entsprechender Middleware auslesbar und steuerbar ist. © infoteam Software AG

Einordnung von LADS als OPC UA Companion Specification innerhalb des Labors © infoteam Software AG

2mag-Magnetrührer mit „LADS ready“-Label auf der analytica 2022, der sowohl stationär als auch remote über ein Tablet mit entsprechender Middleware auslesbar und steuerbar ist. © infoteam Software AG

Einordnung von LADS als OPC UA Companion Specification innerhalb des Labors © infoteam Software AG

Patrick Kraus, Marketing Communications Manager

E-Mail:
patrick.kraus@infoteam.de

Telefon:
+49 9131 78 00-860

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